Der Historiker Rainer Beck hat sich der im Bayerischen Hauptstadtarchiv München liegenden Vernehmungsprotokolle und Dokumentationen eines der letzten deutschen Hexenprozesse angenommen. In 10 Jahren hat er ungefähr 350 Verhörprotokolle untersucht, die teilweise bis zu 250 Fragen enthielten. Das Buch¹ enthält ungefähr 1.000 Seiten, woraus man ableiten kann, dass Rainer Beck sich dieser historischen Protokolle akribisch angenommen hat.
Gestolpert bin ich über dieses Thema durch einen TAZ-Beitrag, in dem es hieß: Vor allem Kinder waren die Opfer eines der letzten deutschen Hexenprozesse. Das hat mich neugierig gemacht, weshalb ich ein wenig recherchiert habe.
Verschiedene Quellen weichen ein wenig voneinander ab, wobei der Förderverein „Altes Gefängnis Freising e.V. auf seiner Homepage schreibt, dass es 14 männliche Personen, hauptsächlich Kinder und Burschen, sowie zwei Frauen waren. Wären Mädchen besonders betroffen gewesen, dann hätte die Überschrift bei der TAZ dementsprechend gelautet.
Zu den Freisinger Hexenprozessen ist bereits ein Buch erschienen. Wolter v. Egan-Krieger: Gaukler ihrer Zeit · Die letzte Hexeninquisition in Freising. Dazu gibt es eine Buchbesprechung und eine Analyse. Nun aber zurück zum Buch von Rainer Beck. Über Google fand ich dazu eine Rezension bei der FAZ.
Hexenwahn
Das Böse in unsRainer Becks neues Buch über einen historischen Hexenprozess führt in bizarre Vorstellungswelten der Vormoderne. Es wirft dabei existentielle Fragen über die Gegenwart auf.
[..]Während die meisten Kinderspiele der Geschichte der Menschheit verweht und vergessen sind, fand die Zusammenkunft auf der Paintl also ihren Weg in die Akten, später ins Archiv. Da diese Aktenbestände sehr umfangreich sind, kann man von einem der am besten untersuchten Kindertreffen der deutschen Geschichte schreiben – aber die Freude darüber hat zugleich etwas Makabres. Denn was für Historiker und Leser von Interesse ist, war für die Kinder furchtbar: Zwei Jahre später wurden drei von ihnen öffentlich hingerichtet. Zwei Buben waren da vierzehn, einer erst zwölf Jahre alt, und viel mehr als Fangen spielen hatten sie nicht gemacht. Es war einer der umfangreichsten Kinderhexenprozesse, und ein besonders später: Goethes Vater war damals in dem Alter der auf der Paintl spielenden Kinder.[..] FAZ
In der FAZ wird genauso wie in der TAZ überwiegend von Kindern gesprochen, was man in nichtfeministischen Zeiten durchaus als normal ansehen könnte. In unserem Zeitalter, wo nicht nur im Bundestag, sondern auch vom Bundespräsidenten gefordert wird, Mädchenrechte weltweit zu stärken, obwohl es Jungen in den entsprechenden Regionen mindestens genauso schlecht geht, da schaut man schon mal genauer hin.
Kärntens Hexen waren Männer
Forscher haben unbekannte Erkenntnisse über die Zeit der Hexenprozesse in Kärnten zutage gefördert. Die meisten Verfolgten waren Bettler. Richter wussten den Aberglauben aber auch für persönliche Interessen zu nutzen. Kleine Zeitung
Ein weitere Beitrag dieser Kategorie ist folgender:
Jagd auf die Hexen in Graz
[..]Bemerkenswert ist jedoch der große regionale Unterschied im Anteil der männlichen und weiblichen Angeklagten. Während in der Untersteiermark auf einen vermeintlichen Zauberer sechs Hexen kamen, stand es in der Südoststeiermark eins zu eins. Im oberen Murtal hingegen war das Verhältnis 1,6:1, das heißt, hier überwogen – gegen alle heutigen Hexen-Klischees – die angeklagten Männer, ja in Salzburg und Oberösterreich war der Anteil der hingerichteten Männer noch höher, schildern Helfried Valentinitsch („Eine Grazer Wirtin unter Zaubereiverdacht“, 1986), Johann Schleich („Hexen, Zauberer und Teufelskult in Österreich“, 1999) und Alfred Seebacher- Mesaritsch („Hexen-Report“, 1972).
Ein Faktum zieht sich aber wie ein roter Faden durch all diese Prozesse – der Großteil aller Angeklagten gehörte der bäuerlichen Unterschicht oder gesellschaftlichen Randgruppen an, vor allem Bettler und Landstreicher, die sich keinen Verteidiger leisten konnten. Austria-Forum
Sucht man bei Google mit den Worten Kinder + Hexen, findet man jede Menge Berichte über afrikanische Kinder, die auch heute noch als Hexen gebrandmarkt werden. In keinem Bericht fand ich Hinweise darauf, dass überwiegend Mädchen betroffen sind.
¹ Mäuselmacher oder die Imagination des Bösen: Ein Hexenprozess 1715-1723 · Bei Amazon
Das wird die spezielle Gattung der Feministinen, die sich mit der Vernichtung der Hebammen, Kräuterhexen und des uralten weiblichen Wissens beschäftigen, nicht gerne hören.
Zu dem allgemein so hochgelobten Buch von Rainer Beck möchte ich mir kurz ein paar Bemerkungen erlauben:
Im meinem Buch „Gaukler ihrer Zeit“ habe ich mich ja recht intensiv mit dem Aktenbestand beschäftigt und stieß darin auf viele Ungereimtheiten, auf die ich von Herrn Becks Buch Antworten erhoffte. Leider vergeblich. Unter anderem die Aussage des gefolterten Andre im ersten Prozeß, der hier in senem zerschlagenen Zustand einen Bruchschneider von Isen erwähnt, der sein Freund sei, Mathias heiße, in Isen ein Häusl hätte etc. Da es sich bei diesen detaillierten Angaben ganz offensichtlich um eine real existierende Person und nicht eine Fiktion gehandelt haben muß, wertet Herr Beck das aber ganz offensichtlich im Sinne der Ankläger, nämlich als verworrenes Zeug. Mir war das ein Anlaß, diese Ungereimtheit und andere in einem weiteren Buch zu besprechen und die am Prozeß beteiligten Personen neu zu bewerten (s. Der Bruchschneider von Isen). Desgleichen erwähnt Herr Beck mit keiner Silbe, daß der Bannrichter Rumpfinger zu seiner bannrichterlichen Empfehlung der Todesurteile separat an die Domherrschaft ein weiteres Schreiben anfügte mit der Empfehlung, die Kinder aufgrund ihres jungen Alters von der Hinrichtung zu verschonen! Dieses Zusatzschreiben nicht zu erwähnen ist doch wohl für einen Historiker ein fürchterlicher, geradezu unverzeihlicher Fehler.
Gruß Egan-Krieger