Letztens habe ich mir einen 1,5-stündigen Beitrag über Geo-Politik angesehen, von dem ich zuerst annahm, dass dieser mir nichts Neues vermitteln würde. Ich habe mir das Video dann doch angesehen und war erstaunt über ein paar Tatsachen, die ich bis dato nicht kannte. Da Präsident Wladimir Putin in aller Munde ist und das Böse schlechthin verkörpert, geht es in meinem Beitag um den Teil, der Russland, die Krim und die Ukraine betrifft.
Wolfgang Effenberger, den ich bis dahin noch gar nicht kannte – hier seine kurze Vita – hat im allgemeinen über die Geo-Politik der USA gesprochen, im Besonderen dann aber über Russland, die Krim und die Ukraine, die, wie andere offensichtliche Dinge auch, von den Medien gerne übersehen bzw. verschwiegen werden. Wer sich in dieser Thematik nicht so sehr auskennt, für den dürfte das Video hoch interessant sein. Es ist auch deshalb sehenswert, weil Wolfgang Effenberger alles belegt hat.
Ich beschränke mich auf den Teil, der mich zunächst erstaunen ließ. Effenberger erzählte u.a. folgendes:
Der Infrastrukturstab der amerikanischen Marine hatte die Sanierung eines Gebäudes in Sewastopol ausgeschrieben, beschlossen und im Juni 2013 ins Internet eingestellt. Im Video ist die entsprechende Seite zu sehen. Die Planung und Ausarbeitung beträgt 120 Seiten und Wolfgang Effenberger sagte dazu, dass er als Bauingenieur diese Pläne gut beurteilen und deshalb sagen könne, dass diese perfekt seien. Das Gebäude liegt im russischen Marinearsenal. Er ist sich sicher, dass die Russen das ebenfalls gelesen haben und deswegen der Meinung waren, dass sie sich nach den Unruhen in der Ukraine auf dem Maidan Anfang 2014 den letzten eisfreien Hafen nicht auch noch nehmen lassen wollten.
Vielleicht war genau dieser Punkt ausschlaggebend für weitere Aktionen seitens Russland, was ich sehr gut nachvollziehen könnte. Auch Ray McGovern, ehemaliger CIA-Mitarbeiter und engster Berater verschiedener US-Präsidenten, ist zu dieser Erkenntnis gekommen, wie er in dem Video „NATO, EU & USA sind in Wirklichkeit das Imperium!“ erzählt hat. Youtube
Gegen Ende des Videos kommt Wolfgang Effenbeger auch noch auf den Kosovo zu sprechen, der von Putin ja immer wieder als Argument für die Übernahme der Krim angeführt wird, zuletzt auch im NDR Video, das am 16.11.2014 bei Jauch ausgestrahlt wurde. Peter Haisenko hat es auf Anderwelt Online analysiert, das Original Video kann man sich bei Rutube ansehen. Wer es lieber lesen statt sehen möchte: Link mit der Übersetzung beim NDR. Des weiteren habe ich etwas erfahren, was ich bisher noch nicht wusste. Der eine oder andere hat vielleicht schon einmal von der „Schlussakte von Helsinki“ gehört, die am 01.08.1975 von 35 Staaten unterzeichnet worden war – die USA gehörte ebenfalls zu den Unterzeichnern. Ich hatte von der Schlussakte zwar schon gehört, nur der Inhalt war mir bisher nicht bekannt. In dieser steht u.a. sinngemäß geschrieben, dass in Zukunft Staatsgrenzen in Europa nie wieder mit Gewalt verändert werden dürften. Bundeszentrale für politische Bildung
Mit dem Krieg gegen Jugoslawien wurde demnach die Schlussakte von Helsinki aufgekündigt und nun ist mir noch viel mehr klar, wieso Putin sich immer wieder auf den Kosovo beruft. Man hat damals, genau wie heute Gründe gesucht und gefunden, um die eingegangene Verpflichtung auszuhebeln. So nebenbei, auch der Kosovokrieg wurde ohne UN-Mandat durchgeführt. Ausnahmsweise zitiere ich zu diesem Thema aus einem Beitrag der TAZ:
Ex-US-Botschafter über Ukraine-Krise
„Das ist ein Familienstreit“[..]Das Ende des Kalten Krieges war kein Sieg des Westens?
Das ist eines der Probleme, dass heute viele Leute die Sache als einen westlichen Sieg betrachten. In Wirklichkeit war es Gorbatschow, der den Kommunismus und die kommunistische Kontrolle der Sowjetunion zerstört hat. Nicht westlicher Druck. Wir haben den Kalten Krieg zwei oder drei Jahre vor dem Kollaps der Sowjetunion beendet.
Wollen Sie bestreiten, dass Russland internationale Regeln verletzt?
Natürlich nicht. Aber es war der Westen, der damit begonnen hat, dieselben internationalen Regeln zu brechen, als die Nato wegen Kosovo Serbien bombardiert hat. Unsere zweite Verletzung der Schlussakte von Helsinki – wonach Grenzen nur veränderbar sind, wenn beide Seiten zustimmen – war, als wir die Unabhängigkeit von Kosovo akzeptiert haben. Putin sagt: Ihr habt den Präzedenzfall geschaffen. Jetzt verletze ich die Regeln. Das müssen wir berücksichtigen, wenn wir über Legalität reden. So zu tun, als ob Russland etwas Einzigartiges täte und Russland zu einem besonderen Ausgestoßenen zu machen, ist unfair. TAZ
Allerdings hat auch das Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag dazu beigetragen, dass Putin sehr wohl rechtens gehandelt hat. Denn immerhin hat dieses festgestellt, dass die vom Kosovo erklärte Unabhängigkeit von Serbien nicht gegen das Völkerrecht verstoßen hat und somit rechtens sei, schließlich kenne das internationale Recht kein Verbot von Unabhängigkeitserklärungen. Nun aber wird es interessant.
Nach Beendigung des Kosovo-Krieges trafen sich im April 2000 in Bratislava hochrangige Regierungsmitglieder diverser Staaten, u.a. war auch der ehemalige CDU-Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Willy Wimmer dabei. Über die Beschlüsse dieser Konferenz war er so wütend, dass er dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder einen Brief schrieb, in dem er folgende Punkte aufzählte:
»Anerkennung Kosovos«
»1. Von Seiten der Veranstalter (US-Außenministerium und American Enterprise Institute) wurde verlangt, im Kreise der Alliierten eine möglichst baldige völkerrechtliche Anerkennung eines unabhängigen Staates Kosovo vorzunehmen.«
»2. Von den Veranstaltern wurde erklärt, dass die Bundesrepublik Jugoslawien außerhalb jeder Rechtsordnung, vor allem der Schlussakte von Helsinki, stehe.«
The New Empire
»3. Die europäische Rechtsordnung sei für die Umsetzung von NATO-Überlegungen hinderlich. Dafür sei die amerikanische Rechtsordnung auch bei der Anwendung in Europa geeigneter.«
»4. Der Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien sei geführt worden, um eine Fehlentscheidung von General Eisenhower aus dem 2. Weltkrieg zu revidieren. Eine Stationierung von US-Soldaten habe aus strategischen Gründen dort nachgeholt werden müssen.«
»5. Die europäischen Verbündeten hätten beim Krieg gegen Jugoslawien deshalb mitgemacht, um de facto das Dilemma überwinden zu können, das sich aus dem im April 1999 verabschiedeten ‚Neuen Strategischen Konzept‘ der Allianz und der Neigung der Europäer zu einem vorherigen Mandat der UN oder OSZE ergeben habe.«
Präzedenzfall
»6. Unbeschadet der anschließenden legalistischen Interpretation der Europäer, nach der es sich bei dem erweiterten Aufgabenfeld der NATO über das Vertragsgebiet hinaus bei dem Krieg gegen Jugoslawien um einen Ausnahmefall gehandelt habe, sei es selbstverständlich ein Präzedenzfall, auf den sich jeder jederzeit berufen könne und auch werde.«
»7. Es gelte, bei der jetzt anstehenden NATO- Erweiterung die räumliche Situation zwischen der Ostsee und Anatolien so wiederherzustellen, wie es in der Hochzeit der römischen Ausdehnung gewesen sei.«
»8. Dazu müsse Polen nach Norden und Süden mit demokratischen Staaten als Nachbarn umgeben werden, Rumänien und Bulgarien die Landesverbindung zur Türkei sicherstellen, Serbien (wohl zwecks Sicherstellung einer US- Militärpräsenz) auf Dauer aus der europäischen Entwicklung ausgeklammert werden.«
»9. Nördlich von Polen gelte es, die vollständige Kontrolle über den Zugang aus St. Petersburg zur Ostsee zu erhalten.«
»10. In jedem Prozeß sei dem Selbstbestimmungsrecht der Vorrang vor allen anderen Bestimmungen oder Regeln des Völkerrechts zu geben.«
Macht vor Recht
»11. Die Feststellung stieß nicht auf Widerspruch, nach der die NATO bei dem Angriff gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gegen jede internationale Regel und vor allem einschlägige Bestimmungen des Völkerrechts verstoßen habe.«
Diese Aufzählung habe ich der Homepage von AG Friedensforschung entnommen.
„Die imperialen Absichten der USA auf dem Balkan“.
Willy Wimmer (CDU): NATO-Krieg gegen Jugoslawien sollte Fehlentscheidung Eisenhowers korrigieren. Ein interessanter Brief und ein anregender Kommentar
Am 23. Juni 2001 veröffentlichte die junge welt eine Analyse eines Briefes, den Willy Wimmer im Mai 2001 an Bundeskanzler Schröder geschrieben hat und in dem er den Kanzler auf einige brisante Details strategischen Denkens US-amerikanischer Diplomaten hinwies. Wir dokumentieren im Folgenden die Analyse, deren Verfasser Rainer Rupp ist. Von der Existenz des Briefs (zumindest in einer Fotokopie) konnte ich mich anlässlich einer Podiumsdiskussion, bei der ich neben Rainer Rupp saß, selbst überzeugen. (Pst) AG Friedensforschung
Wenn man sich das Genannte vor Augen hält, dann wird einem mMn einiges klarer und kann die Argumentation von Putin erst richtig nachvollziehen.
Hier nun das besagte Video: „Die politische Weltlage – Wolfgang Effenberger“. Ab 36:28 min. geht es mit der Krimkrise los. Youtube
WikiMANNia: Russland
Putin richtig nachzuvollziehen gelingt am Besten, wenn man bedenkt, dass er aus ärmlichen Verhältnissen kommend während seiner politischen Laufbahn zum 20-fachen Milliardär avanciert ist.
Das mag es anderswo mglw auch geben, weshalb er mir aber nicht sympathischer wird ….
Die demokratischen Verhältnisse in Russland hätten es ihm sicher auch ermöglicht die Krim zu kaufen, wenn die politische Nomenklatura ihr „Erspartes“ zusammengelegt hätte.