Deutscher Bundestag • Stenografischer Bericht • 217. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009
Situation von Frauen mit Behinderung • Zu Protokoll gegebene Reden
Antje Blumenthal CDU/CSU (Ab Seite 23711)
[..]Einen ersten Schritt dahin haben wir mit dem Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen getan. Dieser Aktionsplan befasst sich unter anderem mit Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Dieser Fokus wurde gelegt, weil Frauen und Mädchen mit Behinderungen mehrfach diskriminiert sind und häufiger als andere Gewalt erleben müssen. Schätzungen gehen davon aus, dass nahezu 80 Prozent der Frauen und Mädchen mit Behinderungen Opfer von psychischer oder physischer Gewalt werden.
Marlene Rupprecht (Tuchenbach) SPD (Ab Seite 23712)
Bei meinen Besuchen in Einrichtungen, in denen behinderte Menschen leben, wird mir von Pflegekräften und Angehörigen immer wieder gesagt: Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen ist ein enormes Problem. Das Thema ist komplex, die Problemlagen sind vielschichtig, und vor allem spricht man nicht darüber. Das Thema ist tabuisiert. Es muss aber dringend in die Öffentlichkeit und umfassend diskutiert werden, wie Gewalt gegen behinderte Frauen und Mädchen verhindert und bekämpft werden kann – im Interesse und für das Wohlergehen der betroffenen Frauen und Mädchen.
Dr. Ilja Seifert DIE LINKE (Ab Seite 23714)
Heute war Girls’ Day. Eine tolle Initiative, wenn es um ernstgemeinte Veränderungen statt um symbolische Aktionen ginge, wo sich Politikerinnen und Politiker kurzzeitig mit jungen Mädchen schmücken. Bei der nach Postleitzahlen angebotenen Aktionssuche auf der Homepage www.girls-day.de wird man/frau staunen, wie viele Aktionen es gab. Wehe aber, man setzt bei der Aktionssuche noch einen Haken beim Kästchen „Nur rollstuhlgeeignete Veranstaltungen“. Die Angebote schmelzen schneller dahin als das Eis in der Sonne. Passend dazu die zeitliche Einordnung des Tagesordnungspunktes „Frauen und Mädchen mit Behinderung wirksam vor Gewalt schützen und Hilfsangebote verbessern“ am späten Abend, sodass hier die Reden nur zu Protokoll gegeben werden.
Dass Frauen mit Behinderungen nachweisbar in vielen Lebensbereichen einer Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sind, wissen wir spätestens seit dem im November 2005 vom Familienministerium vorgelegten Gender-Datenreport. Das Tempo der Koalition, mit geeigneten Maßnahmen für Veränderung zu sorgen, ist „atemberaubend“. Nicht zu vergleichen mit dem Tempo von Maßnahmen zur Rettung von Banken.
Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Ab Seite 23715)
In Zeiten des Wahlkampfes kommen zuweilen Themen auf die Tagesordnung, die ansonsten nur von der Opposition getragen werden. So freut es mich zum einen, dass die Bundesregierung sich aktuell einer Gruppe von Menschen annimmt, die Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt ist und trotzdem viel zu wenig Unterstützung erhält: Mädchen und Frauen mit Behinderungen werden in unserer Gesellschaft strukturell diskriminiert und sind einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, Opfer von sexualisierter Gewalt zu werden.
Was soll man dazu noch sagen? Zwar wird hier und da in den genannten Reden von Behinderung etlicher Menschen im allgemeinen gesprochen, aber wie wir alle wissen, sind Frauen und Mädchen grundsätzlich besonders betroffen.
Männer mit Behinderung erfahren keine Gewalt, Jungen mit Behinderung erfahren keine Gewalt und überhaupt, wie stellte letztens die Journalistin Klaudia Schultheis fest: Nach der Schule haben Jungen keine Probleme und für behinderte Jungen und Männer wird das wohl auch gelten.
Link
Plenarprotokoll zu Reden über Frauen und Mädchen mit Behinderung
Man muss das schon richtig sehen. Behinderte Frauen sind immer doppelt behindert. Einmal als Behinderte und einmal als Frau. Die – weibliche Behinderung – zählt extra.
@Schober
Bekommen jetzt Frauen einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkmal „W“ wie Weiblich (So wie „S“ für Sehbehindert etc.) ? 😀