Nachfolgende Studie aus dem Jahr 2009 ist auf der neuen Homepage vom BMAS nicht mehr zu finden, ebenso wie die dazu gehörige Pressemitteilung. Da ich mir die Studie (Pdf 2,14MB) gespeichert hatte, kann ich diese trotzdem zur Verfügung stellen. Ein Link zur Kurzfassung aus dem Jahresbericht 2007 existiert allerdings noch. Da dieses PDF-Dokument nur 93 Seiten und ein Lesezeichen, im Gegensatz zum Abschlußbericht beinhaltet, habe ich diese ebenfalls am Ende des Beitrages eingestellt.
Aus der Pressemitteilung des BMAS:
Die Untersuchung zeigt, dass Ansätze zur Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsmarkt in der bisherigen Umsetzungspraxis des SGB II eine geringe Rolle spielten. Trotz anhaltender geschlechtsspezifischer Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt existierte nur eine insgesamt schwach ausgeprägte gleichstellungspolitische Steuerung, der zudem Rahmenbedingungen (u. a. knappe personelle Ressourcen und Priorisierung von Effektivitäts- und Effizienzzielen) gegenüber standen, die dem Nachteilsausgleich auf operativer Ebene enge Grenzen setzten. Positive Beispiele beruhten oft auf dem Engagement einzelner Fach- und Führungskräfte oder externen Anstößen. Durch ein insgesamt stärkeres Fördern und Fordern von Männern wurden damit tendenziell eher tradierte Rollenmuster und geschlechtsspezifische Integrationswege stabilisiert, statt diesen aktiv entgegen zu wirken.
Nachfolgend nun die Highlights aus der Gender-Studie über Hartz IV. Bezieher.
[..]Demgegenüber schien es für Väter relativ schwer zu sein, Einschränkungen hinsichtlich der zumutbaren Arbeit aufgrund von Sorgeverantwortung für Kinder geltend zu machen. Wie sich in den Fallstudien zeigte, wurde ein solches Verhalten bei Männern von den Fachkräften nicht selten gleichgesetzt mit dem Versuch, sich vor der Erwerbsaufnahme zu drücken und sich den Mitwirkungspflichten zu entziehen. Dies betraf nicht nur die Nutzung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II, sondern auch Wünsche von ALG II-beziehenden Männern mit Kindern, eine Arbeitsstelle in der Nähe des Wohnortes zu suchen, da lange Pendelzeiten die Möglichkeit, sich um die eigenen Kindern zu kümmern, stark einschränken.
[..]Strategien, die darauf zielten, den Benachteiligungen von Frauen aktiv entgegen zu wirken, waren demgegenüber in den Fallstudien nur vereinzelt vorzufinden.
[..]Während in Westdeutschland die Arbeitszeiten der Männer seit Mitte der 1980er Jahre qualifikationsübergreifend länger geworden sind, sind die durchschnittlichen Arbeitszeiten der Frauen in allen Qualifikationsgruppen außer bei den Hochqualifizierten gesunken.
[..]Frauen mit Kindern arbeiteten im Jahr 2006 im Durchschnitt weniger Stunden als noch 2001 (Kümmerling u. a. 2008: 91).
[..]Allerdings ist damit bislang keine entsprechende Umverteilung der Verantwortlichkeiten für die Haus-, Familien- und Sorgearbeit einher gegangen. Die Hauptverantwortung liegt nach wie vor bei den Frauen; die Beteiligung von Männern bleibt trotz gewisser Steigerungen begrenzt.
[..]Wie bereits ausgeführt, wäre bei einem umfassenderen Verständnis von „Gleichstellung“ darüber hinaus auch die Verteilung unbezahlter Haus- und Reproduktionsarbeit zu berücksichtigen – im Sinne einer stärkeren Beteiligung von Männern hieran.
[..]In der Summe bedeutet dies, dass ein Drittel aller weiblichen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen angeben, aufgrund von Kinderbetreuungsaufgaben gar nicht oder nur mit zeitlichen Einschränkungen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, während es unter den Männern lediglich 5 % sind (vgl. Abbildung G.2.1 im Anhang).
[..]Während beispielsweise mehr als die Hälfte (52,4 %) der Frauen in Ostdeutschland mit Kindern zwischen drei und sechs Jahren die Betreuungssituation als vereinbar mit einer Ganztagestätigkeit einschätzen, sind es nur 17,5 % der westdeutschen Frauen mit gleichaltrigen Kindern.
Dass Frauen insbesondere in Westdeutschland – und zwar vor allem dann, wenn sie kleine Kinder haben – seltener an Maßnahmen teilnehmen, hängt z. B. in hohem Maße mit der Regelung in § 10 Absatz 1 Nr. 3 SGB II zusammen, dass eine Arbeitsaufnahme nicht zumutbar ist, wenn dadurch das Kindeswohl gefährdet würde. In der Umsetzungspraxis hat sich gezeigt, dass hiervon überwiegend Mütter Gebrauch machen oder aber auch von den Fachkräften in den Grundsicherungsstellen dazu motiviert werden. Es gibt sogar Hinweise aus einzelnen Fallstudien, dass teilweise auch gegen die Präferenzen der Betroffenen davon ausgegangen wird, dass diese sich dem Arbeitsmarkt wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stellen möchten.
Aus der Perspektive der Grundsicherungsstellen lässt sich zumindest die Freistellung auf Wunsch der Betroffenen selbst auch mit der Vorgabe in § 1 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 SGB II in Verbindung bringen, dass „die familienspezifischen Lebensverhältnisse von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die Kinder erziehen oder pflegebedürftige Angehörige betreuen, zu berücksichtigen“ sind. Allerdings wird hierbei der im selben Satz enthaltene Auftrag weniger berücksichtigt, nämlich „den geschlechtsspezifischen Nachteilen von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen entgegenzuwirken“ (§ 1 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3), weil Erwerbsunterbrechungen nach vorliegenden Untersuchungsergebnissen eine der zentralen Ursachen für Benachteiligungen von Frauen am Arbeitsmarkt sind. Gleichgewichtiger eingelöst werden könnten beide Zielrichtungen, wenn die Fachkräfte nicht pauschal eine Freistellung der Mütter von Arbeitssuche und Maßnahmeteilnahme bis zum dritten Geburtstag des Kindes vorsehen, sondern mit den betroffenen Hilfebedürftigen zumindest besprechen würden, ob sie die gesamten drei Jahre ausschöpfen wollen, ob von ihnen eine Förderung bereits zu einem früheren Zeitpunkt gewünscht ist oder sie z. B. Unterstützung bei der Organisation externer Kinderbetreuung benötigen. Dies scheint nach den Erkenntnissen aus den Fallstudien in der Praxis aber nicht die Regel zu sein – und wenn, dann häufiger in Ost- als in Westdeutschland, wobei dies auch in Ostdeutschland vor allem dadurch zustande kommt, dass Mütter mit Kleinkindern eine Unterstützung bei der Arbeitsmarktintegration selbst stärker einfordern.
Gender-Report 2009 zu SGB II-Umsetzung aus gleichstellungspolitischer Sicht 2,14 MB
BMAS: Evaluation der Wirkungen der Grundsicherung nach § 55 SGB II
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte Sie fragen, ob Sie uns die Version der Gender-Studie für 2009 zusenden können. Sie senden sie am besten an die folgende E-Mail Adresse:
frauenbueroladadi.de
oder p.das@ladadi.de
oder sicherheits halber an beide.
Vielen Dank für Ihr entgegen kommen
Mit freundlichen Grüßen
Krause