„Merkel unterfordert permanent“

Der Publizist und Fernsehmoderator Roger Willem­sen war ein Jahr lang Beobachter des deutschen Bundestages und hat über seine Erkenntnisse ein Buch geschrieben. Nun will ich keine Werbung für das Buch machen, aber auf einige recht interessante Passagen im Interview mit der Frankfurter Rundschau hinweisen.

Herr Willemsen, waren Sie am Ende des Jahres begeistert oder erschüttert?

[..]Und ich war entsetzt, wie manchmal die parlamentarische Idee mit Füßen getreten wird. Keiner guckt nach vorne, keiner hört zu, jeder demonstriert, dass ihm egal ist, was da vorne gesagt wird. Auch die Ministerriege ist zwar manchmal komplett da und gibt ein Bild ab, macht aber deutlich: Wir sind hier ein Großraumbüro mit angeschlossenem Speakers Corner. So signalisiert man den Schulklassen auf der Tribüne: Es lohnt sich nicht.

Im Grunde genommen lohnt es sich wirklich nicht, denn es sind nicht nur die z.T. langweiligen Reden, die zermürben, sondern auch die Tatsache, dass die eigentliche Arbeit in den Ausschüssen getätigt wird. Vielleicht wäre das wesentlich interessanter für Roger Willemsen gewesen.

Und die Kanzlerin?

Glanzlos. Sie unterfordert ihr Publikum permanent. Sie ist so viel intelligenter als ihre Rhetorik. Aber sie hat sich entschieden, Verödung über dieses Land zu bringen und in der Neujahrsansprache nichts zu sagen über NSU, NSA oder Afghanistan. Mich lähmt das. Ich finde, dass die großen Sachen viel zu groß sind, als dass man sie der Rhetorik der Kanzlerin überlassen darf.[..]

Nun ja, ob Merkel intelligent ist, lasse ich mal dahin gestellt sein. Von ihrer Rede zur Ukraine Krise habe ich nur einen Teil gesehen und da lautet mein Resümee: Entweder ist sie intelligent und dann lügt sie oder aber sie ist dumm, weil ihr die entsprechenden Kenntnisse fehlen. Letzteres vermute ich eher weniger, weshalb mir auch die Nackenhaare zu Berge standen.

In ihrer Bundestagsrede zum Vergleich Kosovo – Ukraine meinte sie sinngemäß, dass die Bombardierung Serbiens auch ohne UN-Mandat rechtens war, auch wenn Russland im UN-Sicherheitsrat dagegen gestimmt habe. Da Slobodan Milošević aber nichts gegen die Verbrechen gegen die Kosovo-Albaner unternommen hätte, habe man reagieren müssen. Das die sogenannten UCK-Rebellen aber selber Rassisten waren, wollte man im Westen nicht sehen und so wundert es nicht, dass neben Angela Merkel auch andere Politiker ihre Lügen verteidigen. Es verwundert ebenfalls nicht, dass man auch die Rassisten in der Ukraine unterstützt. Wer mehr zum Thema UCK wissen will, kann sich hier kurz und bündig informieren.

Da frage ich mich doch glatt, wofür brauchen wir noch einen UN-Sicherheitsrat, der über brisante Themen in der Welt abstimmt? Wenn es genehm ist, dann befolgt man deren Resolutionen und wenn nicht, weil z.B. die USA grundsätzlich gegen Israel gerichtete Resolutionen stimmen, dann wird nicht agiert. So dumm kann eigentlich auch Angela Merkel nicht sein, um diese Tatsachen nicht zu sehen. Nachfolgend ein Video, was diese Thematik aufgegriffen hat.

Merkels verlogenes Gelaber Nr. 2856 Israel darf alles aber Russland nichts?! Youtube

Sorry, ich bin abgeschweift, aber das Thema Ukraine beschäftigt mich im Moment mehr als der Feminismus. Weiter also zu Roger Willemsen.

Warum agiert sie dann so?

Weil es konsensfähig ist. Und weil sie begriffen hat, dass die Menschen mit einer Kanzlerin, über die sie nichts wissen, besser zurecht kommen als mit einem Steinbrück, über den sie zu viel wissen. Steinbrück ist ein Charismatiker, der Kante und Profil zeigt, der Fehler macht und Fehler wieder revidiert. Der kriegt Breitseite. Merkel äußert sich stattdessen zu einem schwulen Fußballer. Das ist bei 99 Prozent der Deutschen konsensfähig. Gerade die NSA-Debatten waren alles andere als ein Ruhmesblatt, weil es da um Grundrechte geht. Aber wenn du dir dann Merkel anguckst, wie sie das toleriert und erklärt: „Ich werde heute auch ein paar Worte zur NSA sagen. Das gehört sich nicht.“ Das ist wie Kinderstube im 19. Jahrhundert: „Du, du, wer beim Essen schmatzt, muss in der Ecke stehen!“ Das reicht nicht.[..]

Ich frage mich ja schon seit langem, woher die „guten“ Umfragewerte für Angela Merkel kommen. 😈 :mrgreen:

Wenn Sie jetzt Bundestagspräsident wären – was würden Sie verändern wollen?

Ich würde mir überlegen, was ich machen kann, damit das Parlament die Regierung kontrolliert und sie nicht nur begleitet. Der Fraktionszwang müsste häufiger aufgehoben werden. Karrieren dürften nicht davon abhängen, dass man der Kanzlerin neunmal hintereinander Lob spendet, nur damit man irgendetwas wird. Man muss dahin zurückkommen zu sagen: Die verhandeln unsere Sachen. Ich habe jedenfalls nur einmal erlebt, dass die Tribüne applaudiert hat – das war, als der Bundestagspräsident zu den Abgeordneten sagte: Würden Sie bitte ein bisschen ruhiger sein!

Für den mehr oder weniger Unkundigen stehen noch weitere interessante Dinge im Interview, ich will diesen Beitrag aber nicht zu lang machen, daher nun der Link zur Frankfurter Rundschau.

Auch der Stern hat zu diesem Thema einen Artikel verfasst.

„Das Hohe Haus“ – Willemsens Bundestag-Kritik
„Leichenschauhaus der parlamentarischen Idee“

[..]Das beschämende Fazit: „Regierungsparteien kontrollieren das Kabinett nicht, vielmehr begleiten sie sein Tun rühmend und dankend. Die Opposition sieht ohnmächtig zu und wird angesichts der langen vergeblichen Arbeit unbeherrschter und böser.“[..]

Das hat Rolger Willemsen gut beschrieben.

Viel Gleiches, kaum Ausreißer

Es ist immer wieder, mit seltenen Ausreißern, das Gleiche, was Willemsen, nachdem er sich einmal zum Jahresabonnement entschlossen hat, mit ansehen muss: Abgeordnete, die prophylaktisch und autistisch ihre Kampflinie verteidigen, sich gegenseitig kaum zuhören aber reflexhaft begeistert applaudieren und sich feiern – zum Beispiel, weil ein Fraktionskollege erklärt: „Die FDP ist beim Gülle-Bonus gesprächsbereit“, Parlamentarier, die viel mehr routiniert als getrieben von heißer Wut böse Sachen in den Saal rufen, „Unsinn!“ „Davon verstehen Sie doch nichts!“ „Mann, sind Sie ein primitiver Kerl!“ – vehemente Rufe ohne Impetus.[..]

Oder wie letztens bei der Rede eines Linken zur Ukraine-Krise, der von Lammert unterbrochen wurde wegen einer Zwischenfrage. Eine Grüne beschwerte sich darüber, dass auf Twitter aktuell eine Fraktionskollegin des Redners die Grünen beleidigt hätte. Ich hatte jetzt erwartet, dass Lammert anmahnt, dass man sich doch auf die Reden konzentrieren solle und alles andere unangebracht wäre, wie z.B. auf Twitter posten. Nein, er mahnte lediglich an, dass sich das nicht gehört. Da könnte man echt verzweifeln.

Ach je. Kaum wird hier, folgt man dem Protokollanten, mal etwas offen betrachtet, abgewogen, weiterentwickelt. Es geht um die Performance, der Inhalt stand vor der Sitzung sowieso schon fest, doch die Darbietung ist oft so schlecht, dass Willemsen öfter mal solche Vergleiche anstellt: „Die Beleuchtung ist raffinierter als die Rhetorik“.[..]

Man könnte aber auch sagen, was nutzt die beste Rhetorik, wenn dabei genauso wenig herauskommt. In diesem Zusammenhang wundere ich mich allerdings nicht, wenn Bundestagspräsident Norbert Lammert Gregor Gysi gerne sprechen hört.

Wie sehr die Wahrnehmung des „Hohen Hauses“ und das dortige tatsächliche Treiben auseinanderklaffen, Willemsen wunderte sich sehr. Er notierte an einem Tag im April: „Schaut man in die Zeitung, so war heute eine leidenschaftliche, turbulente, heftige Auseinandersetzung um die Frauenquote, saß man dabei, war es ein inszenierter, durchchoreografierter Schwank, aus dem sich einzelne Redebeiträge wie Fontänen erhoben.“ Stern

Der Stern beschreibt das schon richtig: Alles ein Affenzirkus und damit beende ich meinen Beitrag nun endgültig. Obwohl, Affen wollte ich eigentlich nicht beleidigen.

/p

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