Ausnahmsweise und auf Empfehlung eines Users habe ich mir auch die Sendung „Hart aber fair“ zum Fall Kachelmann angeschaut. Zum einen war dort der Medienanwalt Ralf Höcker, der sich ordentlich ins Zeug gelegt hat. Zum anderen hat mir der Justiz-Experte des Schweizer Magazins „Weltwoche“ Alex Baur gut gefallen, für den nicht nur an diesem Prozess so vieles unverständlich war. Der eine oder andere Schlagabtausch war teilweise wirklich interessant, immerhin gab es bei einem Frauenthema überhaupt mal wieder eine kontroverse Diskussion, was ja fast schon an ein Wunder grenzt.
Hansjürgen Karge, langjähriger Leiter der Berliner Staatsanwaltschaft, meinte am Anfang der Sendung, das er auch mal das Gericht verteidigen wolle und das der Vorsitzende Richter auch Opfer wäre. Nicht nur dieser habe in Prozessen kaum noch etwas zu vermelden, weil immer der Vorwurf der Befangenheit im Raum schweben würde. Daraufhin erwiderte Ursula Schele, ihres Zeichens Leiterin des Instituts für Gewaltprävention Petze, Vorstandsmitglied Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, das Herr Karge den Richter doch bitte schön nicht als Opfer bezeichnen solle, weil sonst der Begriff Opfer inflationär benutzt würde.
Unabhängig von der Tatsache, das Befangenheitsanträge idR abgeschmettert werden, sehe ich Richter ebenfalls weder im allgemeinen und auch in diesem besonderen Fall nicht als Opfer, haben diese immer noch eine uneingeschränkte Macht, die sie teils skrupellos ausnutzen. Das aber eine Frauenbewegte der Meinung ist, dass das Wort Opfer nicht inflationär benutzt werden dürfe, kann nur als Lachnummer bezeichnen. Gerade Feministinnen haben dieses Wort im Laufe der letzten Jahrzehnte über strapaziert. Wer sich bei „Nachpfeifen, Bemerkungen, Anstarren“ als Opfer fühlt, wie Bild.de in einem Artikel beschrieben hat, der sollte tunlichst das Wort „Inflationär“ aus seinem Vokabular streichen.
Ein weiterer interessanter Punkt war die Erwähnung der Hochzeit (25:40 min.) Ursula Schele fand es erstaunlich, das man sich in dieser Runde so viele Gedanken um Jörg Kachelmann machen und wie schlecht es ihm gehen würde. Sie habe in den Medien gelesen, das Herr Kachelmann geheiratet hätte und zwar eine junge Frau, die vom Alter her ihre Tochter sein könne, weswegen sie regelrecht schockiert war. Daraufhin fragte Ralf Höcker, was das eine mit dem anderen zu tun habe und wieso Frau Schele so schockiert über die Hochzeit wäre. Sie sei schockiert über die Tatsache, das da jemand mehrere Geliebte gleichzeitig habe, diesen Ehe, Kinder nebst Haus und Hof versprochen habe und das dürfe nun mal nicht sein. Ralf Höcker konterte, das habe sie wohl von Frau Schwarzer übernommen und da dieses eine unwahre Behauptung wäre, sei gegen sie eine einstweilige Verfügung beantragt worden, da Herr Kachelmann eben nicht mehreren Frauen solche Versprechen gegeben habe.
Danach sprach Beate Wedekind, ehemalige BUNTE-Chefredakteurin, ausnahmsweise mal etwas positives, denn sie meinte, Frau Schele würde sich mit diesen Äußerungen keinen Gefallen tun. Schließlich habe auch sie, also Beate Wedekind, Freunde gehabt, die z.T. 40 Jahre älter waren. Nach einigem Geplänkel und der Feststellung von Frank Plasberg, das Herr Karge bei diesem Thema ständig schmunzeln würde, weshalb er gerne wissen wolle, was Herr Karge wohl darüber denkt, sagte dieser ironisch, das er diese Sorgen mal haben möchte. Herr Höcker meinte anschließend, das Herr Plasberg ständig vom mutmaßlichen Opfer sprechen würde und das wäre nach dem Freispruch nicht mehr so.
Dann meldete sich Alex Baur zu Wort (28:48 min.) und sprach die Runde auf die Ausgangsfrage an: darf man mit Jörg Kachelmann Mitleid haben? Man wisse, es gäbe ein Täter und ein Opfer – ganz allgemein gesehen – aber man wisse eben nicht, wer denn nun der Täter und wer das Opfer wäre. Sollte das ganze eine falsche Anschuldigung gewesen sein, dann wäre der Täter nunmehr das Opfer. Es gehe immerhin darum, ob ein Mensch für viele Jahre ins Gefängnis muss und wenn es sich um eine Falschbeschuldigung handelt, dann wäre das ein Justizskandal und ein schweres Verbrechen, zu Unrecht beschuldigt zu werden.
Aufschlussreich war auch die Berichterstattung über die Medien im allgemeinen und im besonderen über die Rolle der Staatsanwaltschaft, nicht nur im Fall Kachelmann. Geht man im Filmbeitrag links auf „Medienschlacht um Kachelmann“, so werden in diesem Abschnitt auch Filmeinblendungen von diversen Aussagen ehemaliger Freundinnen nebst zugehöriger Diskussion gezeigt. Fast schon lustig fand ich einige Aussagen in dem Filmabschnitt, wo Jörg Kachelmann nicht nur als brutaler Mensch, sondern auch als moderner König Blaubart bezeichnet wurde. Er hätte die Frauen zwar nicht umgebracht, aber ihren Seelen Gewalt angetan. Auch als Sektenführer konnten sich Einige Herrn Kachelmann vorstellen, da es solchen Menschen nur um Frauen und Sex gehen würde. Des Weiteren wäre Herr Kachelmann grausam wie ein Heiratsschwindler gewesen. Nicht beleuchtet wurden allerdings die zahlreichen Frauen, die von der „Macht“ bzw. dem B- oder C-Promistatus gewiss profitieren wollten.
Das letzte Einzelthema behandelte noch die detaillierte Befragung einer vergewaltigten Frau von einer Gutachterin, deren Peiniger eine Gefängnisstrafe erhalten hatte, was in einem Filmausschnitt eingestellt wurde. Das dieses für ein wirkliches Opfer sehr schlimm ist, können sich vermutlich die meisten Menschen vorstellen. Aber auch hier fehlt mir wiederum die „moralische Verurteilung“ von jenen Frauen, die Männer so mir nichts, Dir nichts der Vergewaltigung Beschuldigen. Diesen Falschbeschuldigerinnen verdanken die wirklichen Opfer die quälende Befragung.
Der Medienanwalt ging dann auch ausführlich auf diese Situation im allgemeinen ein und benannte einige Fakten, die zur Recherche führten. Allerdings kam es dabei zu einem Eklat. Wenn gravierende Unklarheiten auftreten und man irgendwann merken würde, das da etwas nicht stimmen kann, müssten solche Frauen hart, aber keinesfalls mit Samthandschuhen angepackt werden dürfen. Leider sei dieses zumindest im Fall der Anzeigenerstatterin nicht geschehen, meinte der Medienanwalt Ralf Höcker und Frau Schele bekam das in den falschen Hals. Frank Plasberg musste deshalb eingreifen.
Völlig deplatziert war der Aufruf von Frau Wedekind am Ende der Sendung (72:35). Sie appellierte an alle in den letzten Tagen vergewaltigte Frauen, sofort Anzeige zu erstatten. Man merkte, das Frau Wedekind überhaupt keine Ahnung von diesem Thema hat. Dem widersprach auch Frau Schele, da man das generell nicht so sagen könne. Jede Frau müsse selbst entscheiden, ob sie einen Prozess durchstehen wolle oder nicht. Frank Plasberg fand das im übrigen überhaupt nicht gut und meinte, das wir immer noch in einem Land leben, wo die Nichtvergewaltigung die Regel wäre.
Zu dieser Sendung dürfte der Faktencheck interessant sein. Ursula Schele behauptete, im übrigen genauso wie eine Staatsanwältin bei Maischberger, einige internationale Studien hätten bewiesen, das nur 3% der Anzeigen falsch wären. Das bestritt der Medienanwalt aufs heftigste und verwies auf eine bayerische Studie, die anderes festgestellt hatte, siehe unter Vergewaltigungsvorwurf auf WikiMANNia. Dazu habe ich bereits einen Beitrag erstellt, der vermutlich heute noch veröffentlicht wird. Der Faktenscheck besagt nun folgendes:
Hart aber fair – Faktencheck
Schele und Baur über Studien und falsche Anschuldigungen[..]Beide Gäste zitieren ihre Studien richtig. Allerdings bezieht sich die von Baur zitierte Studie lediglich auf Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen in Bayern. Die 2009 erschienene Londoner Studie von Kelly/Seith/Lovett kommt für Deutschland zu dem Schluss: „Entgegen der weit verbreiteten Stereotype, wonach die Quote der Falschanschuldigungen bei Vergewaltigung beträchtlich ist, liegt der Anteil bei nur 3 Prozent. Auch in anderen Ländern ist das Problem der Falschanschuldigung marginal und rangiert zwischen 1-9 Prozent.“
Dass das „Hart-aber-fair-Team“ die Falschbeschuldigungen als nebensächlich bezeichnet, kann man angesichts der Folgen für Verdächtige bzw. Angeklagte nur als Hohn bezeichnen. Nimmt man die aktuellen Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik, dann wären bei 3% Falschbeschuldigungen immerhin 232 Männer davon betroffen, bei 9% sind es schon 695 Männer, die ihres bisherigen Lebens beraubt wurden. Der Witz bei diesem Faktencheck ist der, das als Beweis auf ein PDF-Dokument der London metropolitan university, CHILD & WOMAN ABUSE STUDIES UNIT verwiesen wird. Dazu mehr in einem Extra-Beitrag. Hart aber fair, Web TV und Faktencheck zur Sendung.
WikiMANNia: Vergewaltigung • Vergewaltigungsvorwurf • Falschbeschuldigung
klasse artikel! echt eine empfehlung!