Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Az.: BVerwG 5 C 28.12) hat entschieden, dass eine Mutter keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss für ihr Kind hat, wenn dieses aus einer anonymen Samenspende entstanden ist. Rechtlich gesehen kann ich das Urteil nicht nachvollziehen. Weitere verwandte Themen in diesem Beitrag sind die anonyme Geburt und die Vaterschaftsanfechtung eines Samenspenders.
Wird eine Frau gegen den Willen eines Mannes schwanger, so muss dieser unter allen Umständen bezahlen, denn das Kindeswohl steht angeblich immer an erster Stelle. Unterhalt steht schließlich dem Kind zu und dieses kann nichts dafür, ob es vom Vater gewollt ist oder nicht. Von den Kindern, die ihren Vätern und auch immer mehr Müttern entzogen werden und für die trotzdem Unterhalt gezahlt werden muss, ganz zu schweigen. Nun ist das BVerwG hergegangen und hat sinngemäß gesagt, dass es zwar das Unterhaltsvorschussgesetz gibt, das seine Interpretation aber nicht so weit geht, dass jedes Kind daraus seinen Nutzen ziehen kann.
In der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgericht in Leipzig steht sinnigerweise:
[..]Zwar verleiht der Wortlaut des Gesetzes dem Sohn der Klägerin einen Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsleistung durch den Beklagten, weil der unbekannte Vater keinen Unterhalt leistet.
Entweder steht einem laut Gesetz etwas zu oder nicht, ein bischen schwanger ist schließlich auch nicht möglich. Nun schreibt das BVerwG:
Das Gesetz bedarf hingegen einer Einschränkung dahin, dass bei der hier vorliegenden Fallgestaltung ein Anspruch nicht gegeben ist.
Das Unterhaltsvorschussgesetz ist für Kinder gemacht, damit diese nicht benachteiligt werden im Falle von nicht zahlenden Vätern bzw. Müttern. Das der Gesetzgeber anonyme Samenspender nicht im Auge hatte, kann man zwar nachvollziehen, ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Unterhalt dem Kind zusteht. Wird das verneint, unterscheidet der Gesetzgeber in Kinder erster und zweiter Klasse.
Dem Unterhaltsvorschussgesetz liegt die Konzeption zugrunde, dass Unterhaltsleistungen in der Regel als Vorschuss geleistet und von dem säumigen Unterhaltspflichtigen zurückgefordert werden. Die Gewährung von Unterhalt als Ausfallleistung für den Fall, dass ein Rückgriff auf den anderen Elternteil nicht möglich ist, soll die Ausnahme sein.
Welche Konzeption dem Gesetz zugrunde liegt, spielt keine Rolle, denn durch die Unterhaltsvorschuss-Leistung soll der Lebensunterhalt des Kindes zumindest teilweise gesichert werden. Das Kind kann schließlich nichts dafür, dass es seinen Vater vermutlich niemals kennen lernen wird. Bei anderen Fallkonstellationen interessiert es die Familiengerichte herzlich wenig, ob Kinder ihre Väter jemals kennen lernen dürfen, da Mütter idR die Hoheitsrechte über diesselben haben und nicht dazu gezwungen werden (können), die Väter der Kinder zu benennen.
Dieser Fall zeigt aber wunderbar auf, das Gesetze eben nicht so gestaltet sind, dass sie jedem dienlich sind. Im Grunde genommen müssten sämtliche Unterhaltsgesetze auf den Prüfstand, auch und gerade, wenn man genanntes Urteil mit einbezieht.
Der Kuckucksvaterblog hat über diesen Fall ebenfalls berichtet.
Kein Unterhalt für Kind aus anonymer Samenspende – Mutter scheitert mit dreister Forderung
Eine besonders dreiste Forderung einer Mutter aus Freiburg, deren Sohn durch eine künstliche Befruchtung mit dem von einer dänischen Samenbank bezogenen Sperma eines anonymen und der Klägerin daher unbekannten Spenders gezeugt wurde, beschäftigte jüngst die Gerichte.[..] Kuckucksvater
Politisch gesehen ist das Urteil aus meiner Sicht in Ordnung, da Kinder ein Recht auf Wissen ihrer Abstammung stammen. Deswegen wäre eine Gesetzesänderung im Unterhaltsrecht, allerdings nicht nur bzgl. Samenspender zu begrüßen, damit dem „Tourismus“ der anonymen Samenspende Einhalt geboten wird.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch folgendes Urteil, über welches der Kuckucksvaterblog ebenfalls berichtet hat.
Samenspender hat das Recht auf Vaterschaftsanfechtung – BGH-Urteil Az. XII ZR 49/11 –
[..]Ein schwuler Mann spendete einer lesbischen Frau seinen Samen. Sowohl der Mann, als auch die Frau leben jeweils in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Die Frau nahm die Insemination selbst vor und zeugte erfolgreich damit ein Kind. Vor der Geburt – so die Darstellung des Samenspenders – unterschrieb er die Vaterschaftsanerkennung, welche jedoch keine Gültigkeit erhielt, da die Kindsmutter nicht zustimmte. Danach erkannte der beste Freund des lesbischen Paares die Vaterschaft rechtsgültig an. Nun möchte die Lebensgefährtin der Kindsmutter das Kind adoptieren und der leibliche Vater die Vaterschaft des gesetzlichen Vaters anfechten und seine eigene Vaterschaft feststellen lassen.[..] Kuckucksvater
Wie der Kuckucksvaterblog so treffend schrieb, kann man derzeit bei den oberen Gerichtsinstanzen keine klare Linie erkennen. Allerdings frage ich mich in diesem Zusammenhang, inwiefern das Gesetzesvorhaben zur anonymen (vertraulichen) Geburt überhaupt zur Diskussion steht? Auch Mütter sind gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet.
Woher man kommt und wohin man gehört – Der Tagesspiegel
Gestern am 18. März sollte eigentlich im Bundestag die vertrauliche Geburt beraten werden. Doch der Termin wurde vertagt. Offensichtlich doch nicht so wichtig für unsere Abgeordneten, nur dann, wenn die Medien sich dem widmen. Dann aber schreibt sich jede_r PolitikerIn auf die Fahne, die größten Kämpfer für Babyleben und Kinderrechte zu sein.
Nun zum Positiven: Der Tagesspiegel hat einen bemerkenswert professionellen Artikel zur vertraulichen Geburt, Babyklappe und ihre fragwürdige Wirksamkeit (wir berichteten bereits darüber hier) und anderen damit verbundenen Fragen geschrieben.[..] Kuckucksvater
Letztendlich zeigen die Urteile und das Gesetzesvorhaben, das nicht nur das Wohl der Mütter im Vordergrund steht, auch wenn ihnen hier und da Unannehmlichkeiten zugemutet werden, sondern das man es nicht allen Beteiligten recht machen kann. In erster Linie werden darunter aber wie üblich die Kinder leiden, interessanterweise sind deren Benachteiligungen aber selten Gegenstand der öffentlichen Meinung.
In der deutschen Rechtspraxis ist es noch immer üblich, dass sich eine Frau künstlich befruchten lassen kann, sich dann später vom Jugendamt und Sozialamt Leistungen für das Kind auszahlen lässt und das Jugendamt oder Sozialamt nicht berechtigt ist, von die Mutter zur Feststellung der Vaterschaft zu verlangen. Für diese Kinder zahlen also die Steuerzahler/innen unaufgefordert den erforderlichen Kindesunterhalt, ohne dass diese gefragt werden, ob sie denn hier als Ersatzväter in die Pflicht genommen werden wollen. Der Samenspender hat vielleicht vorher noch gutes Geld mit seiner Samenspende verdient. Bei 20 Samenspenden können das immerhin 2000 Euro sein, die der an seinen Nachkommen uninteressierte Mann von einer Samenbank bekommt.
Die Klägerin Sarah P. wollte sich nicht selbst zu ihrem juristischen Erfolg äußern. Der Anwalt der jungen Frau kündigte aber eine Stellungnahme an. Seit rund vier Jahren weiß die 21-Jährige, dass ihr Vater nicht ihr Erzeuger ist. Sie kämpft gemeinsam mit dem Verein Spenderkinder auf juristischem Weg für das Recht, den biologischen Vater kennenzulernen.
von jupp | 07.02.2013 10:35 unfair, ungerecht scheint mir, dass hier regeln rückwirkend angewandt werden. die spender wurden vor den gesetzlichen regelungen im glauben bestärkt, keine konsequenzen aus ihrer spende gewärtigen zu müssen. und die argumente der klägerin scheinen mir sehr dürftig und aufgebläht; das legen zumindest der grosse anteil der spenderkinder nahe, die keine identitätsprobleme beklagen. in der erziehung der klägerin scheint irgendwas schiefgelaufen zu sein.
Die Tatsache, dass nun erstmals der Name eines „anonymen“ Samenspenders preisgegeben werden muss (gerichtlich erzwungen), hebt die ganze Geschichte aus der Theorie in die Praxis. Wo früher nur ein rein theoretisches Risiko der „Entanonymisierung“ drohte, welches im Übrigen auch gelegentlich so artikuliert worden sein soll von entsprechenden Stellen – „nur rein theoretisch“ – , hat dieses Urteil nun auch die praktische Umsetzung zum Fakt gemacht. Zudem: Ihre Aussage „Zwar muss noch gesetzlich endlich eindeutig geregelt werden, dass ihre Spenderkinder kein Recht auf Unterhalt und Erbansprüche haben. Den meisten Spenderkindern geht es darum aber auch gar nicht.“ klingt nun auch nicht allzu vertrauenerweckend. Zumal erst seit ca. 6 Jahren der Spender aufgeklärt werden muss, dass er kein Anrecht auf Anonymität hat, der hier beurteilte Fall liegt jedoch bereits 23 Jahre zurück. Wer weiß es also, vielleicht werden in 15 Jahren die leute aufgeklärt, dass sie für unterhaltspflichtig erklärt werden können, wovon dann aber wiederum auch bereits die Spender von heute betroffen sind. Und das die meisten Kinder gar kein Interesse daran haben, ja, dass ist nun wirklich kein sonderlich beruhigendes Argument. Die MEISTEN… Ich jedenfalls bleibe skeptisch, was die zukünftige Spenderzahl betrifft. Zu Ihrem letzten Absatz: Sind beide Parteien von vornherein damit einverstanden, ist dem absolut nichts entgegenzusetzen. Dieser Fall ist vermutlich von allen der Wünschenswerteste.
Hab gerade nach der „anonymität“ des spenders gegoogelt und bin überrascht dass diese ja schon aufgehoben wurde! Danke für euren Artikel