BVerfG • Az: 1 BvR 2236/09
die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat am 15. Februar 2010 einstimmig beschlossen:
1. Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Juli 2009 – 13 UF 61/08 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Juli 2009 – 13 UF 61/08 – wird aufgehoben und die Sache an das Brandenburgische Oberlandesgericht zurück verwiesen.
I. Gründe: Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anrechnung fiktiver Einkünfte in einem Kindesunterhaltsverfahren.
II. Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers geboten ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 BVerfGG.
1. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens, welches unter Wahrung des Selbstbehalts des Beschwerdeführers in Höhe von 900 € die Zahlung des berechneten Kindesunterhalts in Höhe von zuletzt 378 € im Monat ermöglichen würde, führt zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Beschwerdeführers. Für die Annahme, der Beschwerdeführer sei in der Lage, ein Einkommen in entsprechender Höhe zu erzielen, fehlt es an einer tragfähigen Begründung.
[..]aa) Der Annahme des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer habe nicht ausreichend dargetan, an einer über das bisherige Maß hinausgehenden Erwerbstätigkeit gesundheitlich gehindert zu sein, fehlt die tragfähige Grundlage.
[..]19 Der Beschwerdeführer hat im Ausgangsverfahren vorgetragen, infolge des Arbeitsunfalls über das ausgeübte Maß hinaus nicht erwerbsfähig zu sein. Er hat den Unfall und dessen Folgen konkret dargestellt, insbesondere auf medizinisch erwiesene irreparable Verbrennungen dritten Grades an 45 % seines Körpers, nämlich an Hals, Rumpf und Beinen, verwiesen und zu deren Nachweis Sachverständigengutachten aus den Jahren 1986 und 1987 vorgelegt, die seine Verletzungen bestätigen. Er hat die Folgeschäden konkret beschrieben und dauerhafte Beeinträchtigungen seiner Gesundheit infolge der Verbrennung, der Vernarbung, der Hauttransplantationen sowie der Schmerzen, insbesondere bei Temperaturänderungen, dargestellt. Zum Nachweis hat er sich nicht nur auf die im Ausgangsverfahren vorgelegten Sachverständigengutachten und auf das Zeugnis der ihn behandelnden Ärzte bezogen, sondern zum Beweis der zeitlebens bestehen bleibenden Beeinträchtigungen die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beantragt.
[..]bb) Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht nicht tragfähig begründet, dass der Beschwerdeführer bei Einsatz seiner vollen Arbeitskraft überhaupt objektiv in der Lage wäre, ein Einkommen in der erforderlichen Höhe zu erzielen.
[..]Bei Steuerklasse I ohne persönliche Freibeträge (außer dem Kinderfreibetrag) und den üblichen Abzügen für Steuern und Sozialversicherung müsste der Beschwerdeführer hierfür einen Bruttoverdienst von rund 1.550 € im Monat erhalten.
[..]Das Oberlandesgericht hat daher mit der Zurechnung fiktiver Einkünfte den ihm eingeräumten Entscheidungsspielraum überschritten.
Zunächst einmal möchte ich klar stellen, dass das BVerfG die Anrechnung fiktiver Einkünfte nicht generell als verfassungswidrig angesehen hat. Dieses wurde von den Richtern auch mittels diverser Aktenzeichen zu entsprechenden Urteilen des gleichen Gerichts belegt. Leider wurde das Urteil des OLG Berlin-Brandenburg Az: 13 UF 61/08 nicht veröffentlicht, so das man sich nur über Google informieren kann. Aber auch dort habe ich nichts aussagekräftiges gefunden.
Bei der Urteilslesung habe ich mich immer wieder gefragt: wo ist die Grenze der Unzumutbarkeit für Väter, damit ihnen kein fiktiver Unterhalt angerechnet werden kann? Da urteilen also Menschen, die in geschützten Räumen sitzen über Männer, denen es mehr schlecht als recht geht. So traurig die Tatsache auch ist, aber Recht hat leider nichts mit Gerechtigkeit zu tun.
Frauen hingegen werden gefördert und nochmals gefördert, arbeiten aber trotzdem immer weniger in Vollzeitjobs und das ohne irgendwelche gesundheitlichen Behinderungen. Diese Tatsache wurde sogar durch die Bundesregierung festgestellt, weshalb ich den entsprechenden Bericht in diesem Blog eingestellt habe [hier]
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Urteil des BVerfG vom 15. Februar 2010 Az: 1 BvR 2236/09
Wie klingt es so schön aus der Theaterwelt?
Der Vorhang fällt und alle Fragen bleiben offen. Oder so ähnlich.
Gelegentlich neige ich zu der Annahme, in einem Land, welches Sozialzusammenhänge in erster Linie über „Rollenbilder“ erklärt, gelingt es selbst Richtern des Obersten deutschen Gerichts NICHT, sich mancher Posse zu entziehen.
Zwar dürfte ihnen die Definition nicht schwer fallen, was denn nun Gemüse und Fleisch begrifflich und juristisch bedeutet. Beides sind Nahrungsmittel; das eine pflanzlicher, das andere tierischer Herkunft. Dies mag im Lebensmittelrecht eine Rolle spielen, aber Gemüse und Fleisch agieren nicht als Träger einer Rolle.
Im Familienrecht geht es augenscheinlich anders zu; die Gegenstände juristischer Gesetze, Verordnungen, Durchführungsbestimmungen , Ausnahmeregelungen und dergleichen mehr, besitzen neben natürlicher Eigenschaften noch einen Rollencharakter, den sattsam bekannte Kreise willkürlich und fortwährend anders bestimmen. Insofern – so scheint es mir jedenfalls – fungieren selbst Richter, die über sich nur noch den lieben Gott wissen, als Regieassistenten in einer Tragikomödie.
Auf Kosten eines erheblichen Teils der Theatergemeinde.
Gruß!
Narro