Frauenpolitik im Haushaltsplan 2012

Im nachfolgenden habe ich die aus meiner Sicht in­te­res­san­ten Ausschnitte der Haushaltssitzung vom 08.09.2011 eingestellt. Aussagen über die Lohn­be­nach­tei­ligung der Frauen habe ich nicht be­rück­sich­tigt, weil sich diese zu oft wiederholt haben. Den Vo­gel hat, wie schon so oft, Caren Marks von der SPD abgeschossen, aber lest selbst.

Plenarprotokoll 17/124 • Deutscher Bundestag • Stenografischer Bericht
124 Sitzung • Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Plenarprotokoll 17/124

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales:
[..]Inzwischen haben wir nämlich festgestellt, dass die Haltung, es habe keinen Zweck, diese Frauen in Arbeit zu vermitteln, weil sie sich um Kin­der kümmern müssten, nicht mehr richtig ist, sondern dass um­ge­kehrt ein Schuh daraus wird: Gerade weil die Frauen Kinder haben, brauchen sie die Hilfe durch Kinderbetreuung, familienfreundliche Arbeitsplätze und Netzwerke im Alltag, damit sie ihr eigenes Einkommen verdienen sowie für ihre Rente sorgen können und damit auch für sich und die Kinder Zu­kunft und Perspektive finden.
[..]Mir geht es vor allem um Frauen, die in den 50er-, 60er- und 70er-Jah­ren geboren wurden und die ihre Kinder in den letzten Jahren groß­ge­zo­gen haben.

„Kurioserweise“ haben ältere Frauen, die nicht dem Scheidungsboom erlegen sind, kaum Probleme mit der Altersarmut. Dieses wurde im 1. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung festgehalten. Aus dem Bericht:

1.3.5 Alter und Bilanzierung des Lebensverlaufs (Seite 10)
Die heute älteren Frauen sind (trotz langjähriger Erwerbsunterbrechungen) im Alter größtenteils noch über den Haushaltszusammenhang (Ehemann) oder als Witwe durch abgeleitete Rentenansprüche hinreichend ab­ge­si­chert.

Wieso unterliegen alte Frauen kaum der Altersarmut? Daraus folgt doch zwingend, dass heutige Probleme, auch die der Frauen erst durch die Politik verursacht wurden.

Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen):
[..]Wen trifft denn die Altersarmut tatsächlich? Sie trifft Frauen. Diese er­rei­chen trotz aller Anrechnungspirouetten der Ministerin mitnichten so vie­le Beitragsjahre. Heute sind es im Schnitt bei Frauen 26,8, bei Män­nern 40,2 Beitragsjahre.

Diese Zahlen sind evtl. im Bezug auf den Geldtransfer von Männern nach Frauen interessant.

Dagmar Ziegler (SPD):
[..]Ich möchte noch einen Aspekt erwähnen, was den Fachkräftebedarf an­geht. Alle wissen, dass bei den Frauen in diesem Land ein Fach­kräf­te­po­ten­zi­al schlummert. Es könnten 460 000 Mütter als Fachkräfte für unsere Wirtschaft gewonnen werden, wenn es ein flächendeckendes Ganz­tags­an­ge­bot in Kitas und Schulen gäbe. 
[..] Jeder Minister und jede Ministerin kocht aber aus Profilierungssucht das eigene Süppchen. Am Ende bleibt das Land auf der Strecke.

Dieses Problem existiert seit Jahrzehnten und da darf man doch mal fragen, wieso sämtliche Frauen in der Politik daran bisher nichts geändert haben? Die schlichte Antwort darauf lautet: weil es nicht gewollt ist.

Dagmar Ziegler (SPD):
[..]Erstens. Es gibt keine wirkliche Gleichstellungspolitik unter der Re­gie­rung Merkel. Sie haben keine Idee, wie Sie endlich für die gleiche Be­zah­lung von Frauen und Männern sorgen können. Sie verweigern einen Min­dest­lohn, der gerade Frauen helfen würde.
[..]Sie haben kein wirkungsvolles Konzept, damit Frauen in den Chef­eta­gen ankommen. Aber die Zeche für diesen Haushalt zahlen die Frauen. Wir haben Lösungen auf den Tisch gelegt: für die Durchsetzung der glei­chen Bezahlung von Frauen und Männern, für einen gesetzlichen Min­dest­lohn und für eine 40-Prozent-Quote für Frauen in Führungspositionen. All das liegt vor, aber kein Handeln dieser Regierung.

Der Witz des Tages: Aber die Zeche für diesen Haushalt zahlen die Frauen. Warum sollte eigentlich eine Putzfrau nicht genauso viel verdienen dürfen wie Frau Marks? Im Gegensatz zu Letztgenannter macht die Putzfrau wenigstens noch einen Job, der wichtig ist. Wo bleibt da die Gleichstellung unter Frauen?

Miriam Gruß (FDP):
[..]Unterstützung und Perspektiven für Frauen sind angemahnt worden. Ich kann nur sagen: Ich begrüße es außerordentlich, dass wir bei­spiels­wei­se ein Hilfetelefon bei Gewalt gegen Frauen einrichten werden. Auch das wird kommen. Dafür haben wir insgesamt 3,1 Millionen Euro ein­ge­stellt.

Statt ein Hilfstelefon für alle Gewaltopfer einzurichten, wird mal wieder nur an Frauen gedacht. Es werden immer mehr Gelder für diese ausgegeben, aber die Zeche zah­len die Frauen

[..]Wir planen eine Initiative, um Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern, insbesondere Alleinerziehenden.

Noch mehr Gelder für Frauen, dabei wurde für den Wiedereinstieg in den letzten Jahren bereits Millionenfördergelder ausgegeben.

Steffen Bockhahn (DIE LINKE):
[..]Im Übrigen ist ganz erstaunlich, dass nach wie vor nicht wirklich, also richtig ernst gemeint, etwas unternommen wird, um Frauen den Zugang in klassische Männerberufe zu erleichtern. Aber es ist auch relativ klar, wa­rum das passiert; denn natürlich – ich weiß, wovon ich rede – blo­ckie­ren Männer gerne, wenn andere sich nähern und wenn es darum geht, den eigenen Platz, das eigene Revier zu verteidigen, gerade dann, wenn es um viel Geld geht.

Dann sollte Herr Bockhahn doch mit gutem Beispiel voran gehen und einer Frau seinen Platz im Parlament zur Verfügung stellen.

[..]Die Bundesregierung, die Bundesbehörden und die Zusammensetzung der Fraktionen von Union und FDP sind abschreckende Beispiele dafür, wie es nicht laufen sollte. Die Frauenquote bei Ihnen ist abenteuerlich schlecht.
[..]Die Kollegin Ziegler hat schon vorhin kurz das Betreuungsgeld, lie­be­voll auch Herdprämie genannt, angesprochen.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das wird nur von Leuten gemacht, die Familienpolitik kaputt machen wollen, Herr Kollege! So ist es!)

Das ist ja nicht etwa nur eine schöne Idee, um irgendwem zu helfen, son­dern es ist eine gigantische Ausrede. Außerdem stecken dahinter ein Rollenbild und ein Familienmodell, die, mit Verlaub, definitiv nicht in das 21. Jahrhundert gehören.

Wenn Familien nicht so leben, wie Linke sich das vorstellen, gehören diese nicht ins 21. Jahrhundert?

Da ich auch das Stichwort Männer bei der Suche benutzt habe, welches meistens sowieso nur im Zusammenhang mit Frauen erwähnt wird, nachfolgend noch ein Aus­schnitt, speziell zu Männern:

Steffen Bockhahn (DIE LINKE):
[..]Ich verweise darauf, dass es besonders junge Männer ohne Per­spek­ti­ve wa­ren, die die neuen Nazis gewählt haben. Bei den unter 30-Jährigen ha­ben gerade die Männer die NPD gewählt. Das Traurige daran ist, dass Sie genau die Maßnahmen, die dazu geeignet sind, die Abwanderung und Perspektivlosigkeit junger Menschen in Ost­deutsch­land zu beenden, gestrichen und eingestellt haben.

Bei diesem Thema ging es um Fördergelder für den Linksextremismus. Ich habe mich allerdings gefragt, warum sich Herr Bockhahn hier so aufgeregt hat? Ein großer Teil der Fördergelder kommt doch Frauen zugute, die es allerdings vorziehen, in den Westen zu gehen. Statt die Ursachen zu bekämpfen, will Herr Bockhahn lieber noch mehr Gelder für die Bekämpfung des Rechtsextremismus. Stattdessen sollte Herr Bockhahn lieber darüber nachdenken, warum so viele Männer und auch Frauen die NPD gewählt haben.

Dorothee Bär (CDU/CSU):
[..]Auch im Haushalt 2012 wird die Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ wieder mit mehr als 92 Millionen Euro unterstützt. Das Bundesfamilienministerium ist im Moment dabei, die Ar­beit der Stiftung zu evaluieren. Es wird untersucht, in welcher Weise durch die Mittel der Bundesstiftung auch langfristig positive Wirkungen für die Antragstellerinnen und ihre familiären und sozialen Netzwerke erzielt werden. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir uns ganz besonders für das im Entstehen begriffene Leben einsetzen und Geld in die Hand neh­men, um Frauen, die nicht wissen, wie sie mit Konfliktsituationen wie einer Schwangerschaft umgehen sollen, zu vermitteln, dass sie auf uns bauen können, weil wir die Kinder schon schützen wollen, bevor sie auf die Welt kommen.

Wo diese 92 Millionen EUR genau landen, täte mich wirklich interessieren.

Caren Marks (SPD):
[..]Die Zuschüsse für Maßnahmen der Familien- und Gleich­stel­lungs­po­li­tik sowie für Ältere werden mal eben um 3,4 Millionen Euro gekürzt. Im Kinder- und Jugendplan werden Mittel zur Förderung der Gleichstellung von Mädchen und Jungen komplett gestrichen. Maßnahmen der Frau­en­po­li­tik – ich denke, das kann man so deutlich sagen – fristen unter dieser Ministerin ein Schattendasein. Demgegenüber wird eine eigenständige Jungen- und Männerpolitik ausgebaut. So sollen zum Beispiel Maß­nah­men wie „Generationsdialoge – Neue Orte für Väter und Großväter“ mit fast 1 Million Euro gefördert werden. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme erschließt sich, glaube ich, nur wenigen. Deutlich wird, dass diese Mi­nis­te­rin Gleichstellungspolitik überhaupt nicht verstanden hat; denn Gleich­stel­lungs­po­li­tik schließt immer Frauen und Männer ein.

Das Frau Marks die Sinnhaftigkeit einer Männerfördermaßnahme nicht versteht, ist letztendlich egal. Wie bösartig muss eine Po­li­ti­ke­rin allerdings veranlagt sein, wenn sie bei einer Förderleistung von 1 Millionen EUR für Männer die Krise bekommt? Milliardenförderung für Frauen, aber bei 1 Millionen EUR für Männer geht Frau Marks anscheinend der Hut hoch. Allerdings würde mich interessieren, wer diese Gelder letztendlich erhält, da ich von diesem Projekt noch nichts gehört habe.

Caren Marks (SPD):
[..]Natürlich sind Initiativen, mit denen beispielsweise der Männeranteil in Ki­tas erhöht werden soll, zu begrüßen – das ist gar keine Frage –, doch die Tatsache, dass nur wenige Männer in Kitas oder Pflegeberufen ar­bei­ten, hat nichts, aber auch rein gar nichts mit einer unzureichenden Män­ner­po­li­tik oder gar einer Benachteiligung von Männern zu tun. Männer wählen diese Berufe sehr selten, weil sie erstens schlecht bezahlt und zweitens nicht ausreichend gesellschaftlich anerkannt werden.

Schlechte Bezahlung? Folgendes habe ich dazu in einem Beitrag zum Thema bei den Kommentaren gefunden:

Beispiele der neuen Eingruppierung

  • S3 (1750 Euro bis 2320 Euro): Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger
  • S6 (2040 Euro bis 2770 Euro): Erzieherinnen und Erzieher in Nor­mal­tä­tig­keit
  • S8 (2140 Euro bis 3250 Euro) Erzieherinnen und Erzieher mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten …
  • S 16 (2630 Euro bis 3880 Euro) Leiterinnen und Leiter von Kitas ab 130 Plätze“
    dbb tarifunion Nr. 28/2009

Wieso verdienen Frauen so unterschiedlich? Ich dachte, es gelte gleicher Lohn für gleiche Arbeit? 😉

Caren Marks (SPD):
[..]Das sind die Fakten, die Sie, die Ministerin und die Kolleginnen und Kollegen von der schwarz-gelben Regierungskoalition, einfach ignorieren. Sie blenden die strukturelle Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben schlicht und ergreifend aus.

(Beifall bei der SPD – Rita Pawelski [CDU/CSU]: Darf ich einmal fra­gen, wie das vor fünf oder sechs Jahren aussah? Sah das da anders aus? Was erzählt ihr hier für ein Zeug!)

– Liebe Rita, du weißt selbst, dass die strukturelle Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben von deiner Regierung ausgeblendet wird. Da brauchst du dich jetzt gar nicht aufzuregen.

[..]Die SPD hat bereits Vorschläge unterbreitet. Sie müssten diese ein­mal gründlich lesen. Es wäre schön, wenn Sie sich unseren Vor­schlä­gen anschließen würden; dann würde es für die Frauen auch wieder bergauf gehen.

Das kann man doch eigentlich nur noch mit den Worten kommentieren: Frauen, Frauen und nochmals Frauen.

Zum Schluß möchte ich noch auf einen Artikel von agens hinweisen, da die The­ma­tik gerade passt.

Vereinbarkeit und Familie eine Sackgasse?
Einige Mütter in unserem Vorzeigeland Frankreich sind aufgewacht und ha­ben den Spagat zwischen Beruf und Familie satt. Sie wollen endlich die Wahlmöglichkeit. Dafür steigen sie aus dem Beruf aus.
[..]Für Frankreichs Feministinnen ist diese “Freiheit” jedoch ein Schlag ins Gesicht. Gerade die gut ausgebildeteten Akademikerinnen wollen Fa­mi­lie leben. Frauen sind gleichberechtigt, aber unglücklich. Zeit-Online hat dies ebenfalls thematisiert. agens

1 Kommentare.

  1. Sehr guter Artikel!

    Am besten fand ich die Femastasen von DIE LINKE.

    Dieser Dialog gefiel mir besonders:


    Steffen Bockhahn (DIE LINKE):
    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Haushaltsentwurf ist nicht vom Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sondern eher einer gegen sie.

    (Zurufe von Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nur weil es kurz vor 10 ist, muss das Niveau nicht so schlecht sein!)

    Dieses Ministerium ist unter anderem für Frauen- und Gleichstellungspolitik zuständig bzw. sollte es sein. Die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland sind nach wie vor beschämend. Laut Statistischem Bundesamt sind es nach wie vor 23 Prozent, die Frauen für die gleiche Arbeit wie Männer im Schnitt weniger verdienen.

    (Rita Pawelski [CDU/CSU]: Nein!)

    Das heißt, Frauen müssen 84 Tage länger arbeiten, um den gleichen Lohn zu bekommen.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

    Allerdings hat auch für Frauen das Jahr nur 365 Tage, um korrekt zu sein: in Schaltjahren 366 Tage.

    (Markus Grübel [CDU/CSU]: Die Statistik muss man richtig angucken, Herr Kollege Bockhorn! Sie unterschreiten Ihre intellektuellen Fähigkeiten erheblich!)

    Mein Name ist Bockhahn, Herr Kollege Grübel. Wenn Sie mir zuhören, können Sie noch etwas lernen.


    Unglaublich, dass abgeordnete Femastasen für dieses i-Männchen-Niveau auch noch Geld kassieren dürfen.