Pflichtverteidigung / Urteilsbegleiter

beck-blog: U R T E I L S B E G L E I T E R ?! Ein echt unschönes Wort, oder nicht?! Wenn man mal so durch die Blogosphäre schaut, dann fin­den sich immer wieder Berichte über dieses tatsächliche oder behauptete Phänomen eines nach Meinung anderer Verteidiger nicht ausreichend ernsthaft verteidigenden Anwalts, den das Gericht als Pflichtverteidiger bestellt hat. Berichte findet man etwa hier, hier, hier oder hier. Im „Kachelmann-Prozess“ dage­gen hatte die Pflichtver­teidigerin RAin Combé wohl „gut abgeliefert“, war also erkenn­bar nicht nur Urteilsbegleiterin.

Mich würde ja einmal interessieren, wie die Blogleser über das Phänomen „Pflicht­ver­teidigung/Urteilsbegleiter“ denken…und: ändert sich für einen Wahlverteidiger in sei­ner Verteidigungsart etwas, wenn er Pflichtverteidiger wird? Kann der Gesetz­geber etwas tun? beck-blog

RA Löwe schreibt dazu in einem Kommentar etwas, was sich jeder merken sollte:

Einleitend zu diesem Thema lobe ich einen virtuellen Kasten Bier für denjenigen aus, der errät, von wem folgendes Zitat stammt:

„Wir glauben, dass in diesem Land jeder das Recht auf eine faire Verhandlung hat und dass unser Rechtssystem der Wahrheit dient. Aber die echte Wahrheit, die hässliche Wahrheit ist: für die Mittellosen gibt es keine Fairness. Auf dieser Seite haben wir einen Staatsanwalt, der bislang 50 Mordanklagen vertreten hat. Und hier haben wir als Verteidiger des Angeklagten einen Knaben, der bisher nur seine Examensverhandlung an der Uni gewonnen hat. Die brutale Wahrheit ist, dass die Armen Anwälte bekommen, die noch keine richtigen Mandanten an Land ziehen konnten. Wir haben ein System, in dem der Staat seine besten und fähigsten Leute gegen Verteidiger antreten lässt, die unerfahren und inkompetent sind. Es ist beleidigend für unsere Demokratie! Es verspottet unsere Rechtsprechung! Und ich dulde in meinem Gerichtssaal keine Verspottung des Rechts.“

Nachvollziehbarerweise haben Strafjustiz und Gesetzgeber kein Interesse daran, dem Angeklagten einen kompetenten Juristen als Strafverteidiger zur Seite zu stellen. Und die kompetenten Strafverteidiger, die ihre Dienste in der Regel nur für ein Vielfaches der gesetzlichen Gebühren oder hohen Stundensätzen anbieten, haben auch nicht unbedingt ein Interesse daran, als „Pflichtheini“ engagiert und für ein paar hundert Euro Pflichtverteidigergebühren von der Arbeit an den lukrativen Fällen abgehalten zu werden.

Wenn aus Kreisen der Strafjustiz gelegentlich über inkompetente Verteidiger gespottet wird, die ihre Mandanten wieder einmal in „Grund und Boden verteidigt haben“, kann ich das nicht ganz nachvollziehen, denn dies scheint systembedingt und offenbar gewollt. Anderenfalls würden Richter doch nicht immer wieder solche Kollegen als Pflichtverteidiger bestellen, von denen stadtbekannt ist, daß sie entweder keine Ahnung haben und/oder keinen Ärger bereiten. Wer sucht sich als „Gegner“ schon freiwillig einen Verteidiger wie den Kollegen Johannes Schwenn aus? Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel. Ich kenne Strafkammervorsitzende, die darauf bestehen, daß der Angeklagte „ordentlich“ verteidigt wird und die schon einmal mit Entpflichtung drohen, wenn der Verteidiger sich erkennbar keine Mühe gibt (ist aber selten).

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